Dass mittelständische Unternehmen in Deutschland in punkto digitale Transformation noch in den Kinderschuhen stecken geblieben sind, ist längst kein Geheimnis mehr. Und das liegt nicht nur an den politischen Rahmenbedingungen oder der in weiten Teilen des Landes noch immer ausbaufähigen Infrastruktur, sondern auch und vor allem an dem mangelnden Pioniergeist der Firmeninhaber selbst. Viele führen alt eingesessene Traditionsunternehmen mit festgefahrenen Strukturen und Prozessen. Für die ältere Stammkundschaft ist das kein Problem – für die nachfolgende und immer kaufkräftiger werdende Zielgruppe der Digital Natives hingegen schon.
Fest steht jedenfalls: Wer auch am Ende der 20er Jahre noch seine Position am Markt behaupten möchte, der muss jetzt die Zeichen der Zeit erkennen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Denn das Ausschöpfen der digitalen Möglichkeiten für einen dauerhaft wirtschaftlichen Erfolg bedeutet schon heute weitaus mehr als nur eine Homepage ins Netz zu stellen oder einen Online-Shop zu betreiben.
In deutschen Unternehmen grassiert Unsicherheit
Ein erheblicher Teil des Mittelstandes sieht in der Digitalisierung eher ein Risiko – hinsichtlich veränderter Kundenbedürfnisse oder des Verlusts der eigenen Marktposition durch den internationalen Wettbewerb –, als die guten Chancen zur Effizienzsteigerung oder sogar zum weiteren Ausbau des Geschäftsmodells. Laut einer Trendstudie werden die Unternehmen jedoch nicht drum herumkommen, sich mit den neuen digitalen Gegebenheiten auseinanderzusetzen und sich mit den daraus resultierenden neuen Geschwindigkeiten anzufreunden, wenn sie auch noch in zehn Jahren konkurrenzfähig sein möchten. Denn digital top-aufgestellte Unternehmen haben viel schnellere Reaktionszeiten und setzen in Sachen Kundenservice schon jetzt ganz neue Maßstäbe, die künftig in der Erwartungshaltung von Konsumenten als Standards vorausgesetzt werden.
Der andere Teil der mittelständischen Unternehmen hat zwar die Zeichen der Zeit erkannt oder besser gesagt den Druck nach digitaler Transformation verspürt, allerdings weniger aus Eigeninitiative, sondern vielmehr weil andere das ja auch so machen.
Der Kundendialog verändert sich
Aktuell ist es noch so, dass Kunden den Kontakt zum Unternehmen suchen – zum Beispiel wenn sie eine Frage zu einem Produkt oder irgendeinen Fehler entdeckt haben. In Zukunft wird es umgekehrt sein: Der Dialog zum Kunden geht vom Unternehmen aus. Möglich wird das, weil immer mehr Kundendaten automatisch gesammelt und ausgewertet werden. Entsprechend vorausschauend können Unternehmen handeln. Die Hauptrolle bei diesem proaktiven Kundenservice spielt Künstliche Intelligenz, die mehr als nur Routineanfragen automatisch managt. Denn durch die Möglichkeit der automatisierten Mustererkennung und einem Selbstlerneffekt wird KI zunehmend selbstständiger – ein gewaltiger Effizienzvorteil für Unternehmen.
Mittelstand – der Zeitgeist heißt Umdenken
Kleine und mittelständische Unternehmen sind und bleiben das Fundament der deutschen Wirtschaft. Allerdings werden das in Zukunft nicht mehr die traditionellen Firmen und Betriebe sein, sondern vor allem junge Start-ups und solche Unternehmen, sie sich digital weiterentwickeln. Und das geht weit über die Annahme hinaus, dass der interne digitale Ausbau hauptsächlich den Vertrieb und Einkauf betrifft. Eine durchgängige Digitalisierung erfordert nämlich auch eine moderne Unternehmensorganisation, modifizierte Prozessabläufe und gegebenenfalls eine adäquate Anpassung der Produktion. Die aussichtsreichsten Erfolgschancen werden diejenige haben, die ihr Geschäftsmodell agil ausrichten, sich neue Kundensegmente über digitale Kommunikationskanäle erschließen und die Prozessautomatisierung konsequent vorantreiben.
Inhaber und Geschäftsführer sind zunehmend Digital Natives
Der Generationenwechsel in den Führungsetagen kleiner und mittelständischer Unternehmen wird den digitalen Umbau zusätzlich befeuern. Denn die Digital Natives aus den 1990er Jahren sind es gewohnt, auf anderen Kanälen zu kommunizieren als die Elterngeneration, sich digital zu vernetzen und online mit Informationen, Dienstleistungen und Gütern zu versorgen. Diese Gewohnheiten werden die digitale Transformation in Deutschland zusätzlich antreiben. Mit der zunehmenden Digitalisierung steigt auch die Vernetzung von Unternehmen, Maschinen und nicht zuletzt der Menschen. Daraus ergeben sich natürlich auch neue Formen der Zusammenarbeit, von der nicht nur in Pandemiezeiten viele Arbeitnehmer:innen und Unternehmer:innen profitieren. Hinzu kommt die Tatsache, dass neben zahlreichen Produktivitäts- und Qualitätsvorteilen in digital geprägten Betrieben auch die zeitliche Taktung deutlich beschleunigt wird.
Mehr Chancen für alle – auch für Handwerksbetriebe
Weit verbreitet ist bei uns noch die Vorstellung, dass nur über Jahrzehnte gesammeltes Know-how und Erfahrungswerte Prozesse optimieren und Produkte verbessern können. Viele kleine und mittelständische Unternehmen wägt diese Vorstellung sogar in einer komfortablen Sicherheit vor Mitbewerbern und erst recht vor neuen, aufstrebenden Gründern. Aber im digitalen Zeitalter ist das mehr Wunschdenken als Realität. Denn immer mehr Hersteller überspringen diese vermeintliche Wissenslücke durch digitale Technologie. Ein einfaches Beispiel: Mit Hilfe der so genannten Augmented Reality – also der computergestützten erweiterten Realität – können Unternehmen ihren Arbeitskräften im Handumdrehen wertvolle Informationen zur Verfügung stellen, die zur direkten Lösung eines Problems führen. So kann sich beispielsweise ein Elektriker beim Kunden vor Ort über sein Smartphone die Anleitung zur Behebung eines Störfalls ansehen und den Fehler fachgerecht reparieren, ohne für diesen konkreten Fall ausgebildet worden zu sein.
Angebot & Nachfrage vs. Marketing & Konsumtrends
Die Nachfrage nach Konsumgütern bestimmt den Markt – das war im analogen Deutschland lange Zeit die gängige Erfolgspraxis. Im Fokus standen dabei Standardprodukte mit standardisierten Eigenschaften und Preisen. Das ist gar nicht vorwurfsvoll zu bewerten sondern eher der Tatsache geschuldet, dass individuelle Produkte nahezu nur durch menschliche Arbeitskraft zu realisieren sind, was immense Kosten verursacht. Wer jedoch in der Kundengunst künftig weit vorne liegen möchte, setzt auf die Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen. Denn Verbraucher wissen dank der vielseitigen Online-Vergleichsmöglichkeiten heute ganz genau, was sie wollen und de facto auch benötigen. Im digitalen Zeitalter sind Standards Schnee von gestern – und Standardprodukte ebenso vergängliche Schneebälle wie Standardkunden und Standardmarketing.
Kundendaten sind der Schlüssel zum Erfolg
Je mehr Sie über einen Kunden wissen, desto besser können Sie seine Bedürfnisse und Wünsche erfüllen. Das ist in der analogen Welt nicht anders als in der digitalen. Aber es gibt künftig neue komfortable Möglichkeiten der Kundenbetreuung. Dabei werden in einem Customer-Relationship-Management-System (CRM) nicht nur Bestellungen, Anfragen und die E-Mail-Korrespondenz gespeichert, sondern sämtliche Daten, die über einen Kunden gesammelt werden können: individuelle Präferenzen, sozioökonomische und -demographische Kennzahlen, Nutzungsdaten zu Produkten, Umgebungsvariablen, Verknüpfungen zu anderen Kunden und so weiter. Diese Daten werden automatisch aufbereitet zu einem runden Gesamtbild, das beim Kontakt des Kunden zum Unternehmen der Servicemitarbeiterin oder dem Servicemitarbeiter direkt angezeigt wird. Perfektioniert wird die Analyse der Kundendaten schließlich dadurch, dass das System auf Unternehmensseite selbst aktiv wird, wenn es eine bestimmte Handlung als notwendig berechnet hat. So kann ein Großteil der Routine-Kommunikation mit Kund:innen automatisiert erledigt werden. Die Mitarbeiter:innen können sich auf komplexe Dialoge und „unerwartete“ Serviceleistungen – Stichwort Customer Experience – konzentrieren.
KI in mittelständischen Unternehmen
Damit das alles so funktioniert, kommt Künstliche Intelligenz zum Einsatz. Diese wird kontinuierlich präziser, weil Programmierer:innen immer besser die elementaren Grundfunktionen des menschlichen Gehirns in Maschinen abbilden können. So sorgt KI dafür, dass Maschinen bestimmte Muster selbst erkennen und Prozesswissen erlernen können. Das lässt die intelligenten Algorithmen zunehmend autark handeln und viele Entscheidungen künftig selbst treffen, zum Beispiel in der Kundenkommunikation oder bei Abläufen in technischen Systemen. Zwar könnte der Mensch jederzeit eingreifen, aber die Software behält sich bei möglichen menschlichen Fehlentscheidungen vor, zumindest Einspruch dagegen erheben zu dürfen. Egal, ob es um Kundenanfragen zu Produkten, den aktuellen Bestellstatus oder das frühzeitige Erkennen kritischer Werte bei Technikanlagen im laufenden Betrieb geht – Unternehmen, die bereits heute diese Technologie einsetzen berichten von einer höheren Ergebnisqualität und einer geringeren Fehlerquote. Expert:innen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2030 die meisten Unternehmen mit KI arbeiten und sie sehen darin auch einen starken Antrieb für eine zunehmende Digitalisierung.
Treffen Algorithmen künftig menschliche Kaufentscheidungen?
Der Anteil analog geprägter Menschen schrumpft zunehmend in einer immer digitaler werdenden Gesellschaft. Daher steigt der Anteil derer, die auf digitale Bestellvorgänge, Online-Vergleichsportale und Empfehlungen setzen. Und damit treten sie zumindest einen Teil ihrer Kaufentscheidung an intelligente Algorithmen ab. Tendenz steigend, denn der Einfluss digitaler Tools bei der Entscheidungsfindung wächst und digitale Empfehlungen führen zu besseren Ergebnissen als menschliche Berater. Diese Tatsache wird künftig allerdings noch zu einem Problem: Kunden verlieren das Vertrauen in Berater, Anbieter und Marken. Denn Konsumenten vertrauen in vielen Bereichen eher den Empfehlungen ihrer digitalen Helfer. Deshalb wird es wichtiger denn je, Kunden auch digital von einem Produkt oder einer Dienstleistung zu überzeugen und sie auf digitalen Kanälen langfristig an das Unternehmen zu binden.
Fazit
Der Ausbau der Beziehungen zwischen Mensch und Maschine ist die Zukunft. Das führt zu mehr Effizienz in Unternehmen, verbessert den Kundendialog und erhöht gleichzeitig die Kundenzufriedenheit. Ziele der Digitalisierung in mittelständischen Unternehmen sind eine maximale Prozessautomatisierung und die Möglichkeit, den aktuellen Kundenbedarf immer exakt vorhersagen zu können. Wer sich deshalb schon jetzt für den Einsatz der modernen digitalen Möglichkeiten entscheidet, profitiert auch langfristig von einem deutlichen Vorsprung gegenüber traditionell-konservativ agierenden Mitbewerbern.
Die inhaltlichen Aussagen in diesem Blog-Beitrags stützen sich auf eine Trend-Studie von 2bAHEAD, die von Michael Carl und Kai Gondlach unter dem Titel „Die Zukunft des deutschen Mittelstandes“ im Jahr 2018 veröffentlich wurde.